Der Baader Meinhof Komplex - Eine Geschichte über Friede, Freude, Selbsgerechtigkeit
„Wir
sagen natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen der Typ in Uniform ist ein
Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen.
Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit
diesen Leuten zu reden, und natürlich kann geschossen werden.“
Das
sind die Worte von Ulrike Meinhof, Intellektuelle, Journalistin, Mutter von
zwei Kindern und Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF) kurz nach deren Gründung.
Mit Der
Baader Meinhof Komplex, benannt nach dem Buch von Stefan Aust, ist Uli Edel ein
für deutsche Verhältnisse mitreißender, actiongeladener Film über ein Phänomen
gelungen, von dem die meisten jungen Menschen heute nicht die geringste Ahnung haben.
Chronologisch vorgehend, schafft es der Regisseur mit der nötigen Distanz einen
relativ guten Überblick über die Geschehnisse zu verschaffen.
Nur
manchmal ist der Plot vielleicht zu vollgestopft, so dass dem Zuschauer kaum
Zeit zum Nachdenken bleibt. Wahrscheinlich ist das aber sogar gewollt, denn
ganz nach postmoderner Manier ist eine klare Meinung gar nicht der Inhalt des
Streifens. Gut und Böse, Recht und Unrecht, Wahrheit und Lüge, sind nicht klar
umrissen und würden vermutlich auch niemand im Publikum interessieren. In einer
Zeit in der Hollywood jeden Krieg zu einem Effektfeuerwerk verkitscht und eine
Doku von Michael Moore genauso lustig wie Borat empfunden wird ist der
Zuschauer von zu viel Authentizität gelangweilt. Die Geschichte wurde ohnehin
schon tausende Male erzählt: Die Zeit der 68er, Ermordung von Benno Ohnesorg,
Radikalisierung, Brandanschläge, Verurteilungen, Befreiungen, Bombenattentate,
wieder Verhaftungen, Entführungen, Selbstmord, Mord, Friede, Freude,
Selbstgerechtheit.
Uli Edel will mit diesem Film nicht aufklären. Weder ideologiekritisch in dem er
erklärt was denn die angesprochene Hauptlinie der selbsternannten marxistisch-leninistischen
Stadtguerilla gewesen sein soll, noch empirisch in dem er die Fakten genauer
unter die Lupe nimmt. Das wäre von einem Spielfilm von 150 Minuten Dauer auch
zu viel verlangt, man will das Publikum ja nicht überfordern.
Der
Interpretationsspielraum des Regisseurs lag vor allem in der Darstellung der
Charaktere die er größtenteils recht überzeugend umgesetzt hat. Nur Baader
(Moritz Bleibtreu) als um sich schießender und ständig fluchender Rock’n’Roller
wurde etwas naiv und verkürzt in Szene gesetzt. Ansonsten kann man die Leistung
der zahlreichen Schauspieler nur loben. Vor allem Stipe Erceg als gequälter und
sterbender Holger Meins hat wieder einmal sein außerordentliches Talent unter
Beweis gestellt.
Die
Kameraführung war recht konventionell. Auflockernd gestalteten sich die
Einschnitte mit Berichten aus den 60ern und 70ern, durch die man sich besser in
die Zeit (wenn auch nur vor den Fernseher der Massen) zurück versetzt fühlen
konnte.
Zum Schluss
bleibt alles offen und irgendwie sinnentleert. War die Radikalisierung von
jungen Menschen mit der Perspektive auf eine Revolution eine unvermeidliche Folge
aus der Repression des Staates, oder war es eher umgekehrt? Ohne RAF keine
Rasterfahndung und andere Befugnisse für Polizei und Justiz in Richtung
Überwachungsstaat. In ihren Anfängen waren noch über 30% der deutschen
Zivilbevölkerung laut Umfragen dazu bereit RAF-Guerillas bei sich zu Hause zu
verstecken. Als sich der “Befreiungskampf” immer mehr zu einem Privatkrieg mit
den deutschen Behörden entwickelte und namhafte linke Intellektuelle der RAF
ihre Berechtigung absprachen, rannten die Revolutionäre in eine Sackgasse.
War
ihre Vision eine Illusion? Klar war, dass man es verabsäumt hatte eine breitere
Basis an Unterstützung zu bekommen und jetzt ziemlich alleine da stand.
Ob nun
die Todesnacht von Stammheim ein Mordkomplott oder Selbstmord unter staatlicher
Aufsicht war ist nach wie vor eine Frage die im Raum steht. Fakt ist, dass die
Vision von Baader, Ensslin und Meinhof zu diesem Zeitpunkt schon gescheitert
und ihr Tod quasi die letzte Konsequenz aus der Form ihres Protests war.