Donnerstag, 26. Juni 2014

Ein Trolley. Eine Dicke. Eine Lebensgeschichte.


,,Wohin mit mir. Ist eine Welt zu denken, eine Zeit, in die ich passen würde?
Niemand da, den ich fragen könnte. Das ist die Antwort.“ 
Medea

                                                          Quelle: Theater am Campus HS Merseburg

Am 28.05.2014 war es im Theater am Campus der Hochschule Merseburg wieder an der Zeit sich kulturell berieseln zu lassen. Das TaC lud diesmal nämlich zu einem Gastspiel der ganz besonderen Art ein.
 

Eingeladen wurde zum Maskentheaterstück ,,Die Dicke spielt Medea“ der Puppenspielerin Julia Raab. Es war ein Stück ohne Worte was für das Publikum bedeutete: ganz viel Raum für Phantasie, eigene Emotionen und Interpretationen. Futter, nicht nur für die Gehirnzellen, sondern auch fürs Herz!  

Es ist dunkel. Die Tür öffnet sich träge unter der Last, die sie zu tragen hat. Man sieht eine Taschenlampe suchend durch den Saal wandern. Gefolgt von schweren, ja, teilweise humpelnden Schritten und sogleich erblickt man dieses abstoßende Gesicht. Abstoßend, aber irgendwie faszinierend zugleich. Die Dicke, ihren Trolley hinter sich herziehend, bahnt sich ihren Weg zur Bühne. Sie kommt an und lässt sich nieder. Sie spricht nicht.

Die Dicke, eine moderne Medea.     

Medea, eine Frauengestalt aus der griechischen Mythologie, ist Tochter des Königs Aetes. Aus bedingungsloser Liebe zum Führer der feindlichen Truppen verrät sie ihren Vater und tötet ihren Bruder. Medeas zehnjährige Ehe mit ihrem Gatten wird überschattet von seinem Treuebruch. Die Liebe der beiden, die zwei Kinder hervorgebracht hat, steht somit am Ende. Eine Eifersuchtstragödie beginnt. Die Dicke und Medea verbindet derselbe Leidensweg. 

Die Dicke erzählt ihn indem sie aus ihren zahlreichen Plastiktüten nach und nach Bruchstücke ihrer Lebensgeschichte zieht: ein abgetragener Schuh, ein alter Mantel, eine verschmutzte Puppe.  
Mit diesen, für sie sehr wertvollen, Habseligkeiten erzählt sie diese tragische Geschichte.

Zum Stück, welches es in diesem Format im Theater am Campus der Hochschule bisher noch nicht gab, erzählt die Puppenspielerin: ,,Ich gebe dem Zuschauer keine Anleitung, wie er das Stück zu sehen, zu verstehen hat. Es gibt kein richtig oder falsch beim Theaterschauen. Jeder sieht das was er sieht. Ich freue mich, wenn mir Zuschauer erzählen, was sie gesehen haben, vor allem, wenn es sich um etwas anderes handelt, als ich mir gedacht habe. Ich möchte meine Zuschauer zum denken anregen und ihnen nicht Theater erklären.“

Außerdem verriet uns Julia Raab zum Schluss was ihre Faszination am Puppenspiel ist: „Figurentheater fasziniert mich wegen seiner Vielseitigkeit. Es stecken so viele Geschichten in den Objekten. Und wenn man ihnen Raum gibt, können die Geschichten auch erzählt werden. Figurentheater kann magische Momente schaffen. Scheinbar leblose Dinge werden auf der Bühne lebendig.“



Wie fanden denn die Zuschauer diese nicht alltägliche Inszenierung?

„Es war beeindruckend zu sehen, wie man aus so wenig so viel machen kann.“

„Die Gestalt der Dicken ist gewöhnungsbedürftig, da sie nicht unserem gängigen Ideal entspricht. Aber durch die Story wird das zunehmend egal, denn sie erregt zuletzt nur noch Mitleid und man möchte die Hauptfigur in den Arm nehmen.“

„Die Dicke hat ihr Leben nach und nach aufgebaut – bis es mit einem Mal zerbricht. Wie wir alle sehnt sie sich nur nach einer heilen Welt, man kann sich sehr gut damit identifizieren und letztendlich auch mitfühlen. Ich denke auch, wenn die Geschichte von einer hübschen Frau gespielt worden wäre, hätte es völlig anders gewirkt.“

„Das Stück hat mir sehr gefallen. Ich dachte erst wegen der Maske, dass es komisch und lustig werden würde, aber tatsächlich war es eine echte Tragödie. Die aber teilweise sogar aus dem echten Leben gegriffen sein könnte."

,,Ein Blick verrät mehr als 1000 Worte. Die Dicke vermag es ganze Gefühlswelten in wenigen intensiven Momenten darzustellen. Worte bleiben dabei überflüssig, sobald sie sich auf Erinnerungs-Schatzsuche in ihre Welt der Tüten und Beutel begibt. Ihr zunächst irritierendes Äußeres löst sich im Verlauf des Stückes nahezu auf.  Sie schafft es das Publikum in ihren Bann zu ziehen und jeden persönlich mit auf eine Reise der Erinnerungen zu nehmen. Das anfängliche Belächeln und Schmunzeln der Dicken verwandelt sich während der Handlung in Mitgefühl und Verständnis, denn jeder von uns trägt seinen eigenen Erinnerungsbeutel mit sich. Julia Raab schafft es mit dieser Figur das menschliche Sein auf wunderbare sprachlose Weise zu bannen und uns näher zu bringen.“


Wollt ihr mehr über Julia Raab erfahren? Euch über Inszenierungen und Workshops informieren, oder Julia selbst kontaktieren?

Dann schaut auf ihrer Homepage www.juliaraab.de vorbei!
 

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